"Routine war nie!"

Seit 2019 regiert die sächsische CDU erstmals mit zwei Koalitionspartnern. Nur so war eine stabile Mehrheit im Parlament möglich, da die Partei grundsätzlich eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt. Der Koalitionsvertrag versprach viel. Doch diese Wahlperiode sollte anders werden als alle zuvor: zwei Jahre dominierte Corona die Landespolitik. Im Interview zieht CDU-Fraktionschef Christian Hartmann (s)eine Halbzeitbilanz.


Am Abend der Landtagswahl 2019 war klar, die CDU hat zwar knapp gewonnen – aber sie braucht zwei Koalitionspartner, um stabil regieren zu können. Was haben Sie da gedacht?

„Das wird eine schwere Kiste. Wir hatten immer eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen – und tun das auch heute noch! Somit blieben nach der Wahl nur die Sozialdemokraten und Grüne als Partner übrig. Wir haben mit beiden knapp drei Monate verhandelt. Eine Koalition aus so unterschiedlichen Partnern fällt nicht vom Himmel. Sie ist das Ergebnis harter Arbeit und Ausdruck einer neuen politischen Kultur.“

Wieviel CDU steckt in der Sachsen-Koalition?

„Sehr viel! Der Koalitionsvertrag trägt unsere Handschrift. Die CDU steht für mehr Offenheit, mehr Dialog und ein schnelleres Umsetzen von Entscheidungen. Nach zwei Jahren Corona-Krisenmanagement müssen wir jetzt Gas geben, um unsere selbstgesteckten Ziele erreichen zu können. Zur Wahrheit gehört auch: Wenn die Bürger 100% CDU wollen, sollten sie uns entsprechend wählen. Bei zwei Koalitionspartnern müssen wir viele Kompromisse machen und können nicht alles umsetzen, was wir ursprünglich vorhatten.“

Und wie lief es bisher mit dieser Koalition?
 

„Diese Wahlperiode ist anders als alle zuvor. Routine war nie! Wir hatten noch nie eine so lange Krise wie Corona zu bewältigen. Und auch heute steht Sachsen durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine vor großen Aufgaben. Wir müssen ideologiefrei über Energie und Versorgungssicherheit reden!“


Worin besteht die Stärke Ihrer CDU-Fraktion im Landtag?

„Meine Fraktion besteht aus 45 Abgeordneten. Wir sind in allen Regionen Sachsens präsent. Unsere Abgeordneten nehmen nicht nur ihr Mandat für eine Region war, sie leben auch dort und sind vor Ort verwurzelt. Als größte Fraktion im Sächsischen Landtag haben wir eine enorme Bandbreite: Wir vertreten die Perspektive großer Städte genauso wie die der ländlichen Regionen, die zwischen Alt und Jung, die vom selbstständigen Unternehmer bis zum Studenten.“

Die letzten Umfragen sahen für die CDU nicht gut aus. Hat Ihre Fraktion den Anschluss verpasst?

„Nein. Aber wir müssen uns am Riemen reißen. Zwei Jahre Pandemie waren eine enorme Belastung für die Bevölkerung. Als Regierungsfraktion mussten wir zahlreiche unpopuläre Entscheidungen mittragen. Hier haben wir auch einige Fehler gemacht. Ein Teil der Maßnahmen war in sich nicht schlüssig. Wir haben nicht immer verständlich kommuniziert und Maßnahmen ausreichend erklärt. All das hat uns Zustimmung gekostet. Daher ist es jetzt wichtig, zügig den Weg aus dem Krisenmodus zu finden, zuversichtlich nach vorn zu blicken und uns wieder den Themen zu widmen, für die uns die Wähler 2019 das Vertrauen aussprachen.“

Wo sehen sie Verbesserungsbedarf?

„Uns muss es besser gelingen, ein erkennbares politisches Profil zu entwickeln. Nach meiner Lesart heißt das, dass wir als CDU ein eindeutig bürgerliches Profi l vertreten – also Tugenden wie Fleiß, Sparsamkeit, Ordnung und Pünktlichkeit, aber auch Respekt vor den Rechten anderer. Damit sprechen wir einen Großteil der politischen Mitte an und können dennoch polarisierende und pointierte Debatten eröffnen und führen.“
 

Versteht sich Ihre CDU-Fraktion noch als Fraktion einer Volkspartei?

„Ich denke schon! Sehen sie, für mich misst sich der Status einer Volkpartei nicht allein daran, wie viele Wähler ihr Kreuz bei uns machen, sondern welche Breite der Gesellschaft wir als Partei und Fraktion abbilden können. Unsere Politik zielt nicht auf ein spezifisches Klientel, eine gesellschaftliche Strömung oder ein bestimmtes Thema. Wir machen Politik für alle Sachsen!“

Lassen Sie uns übers Geld reden! Politik wird im Doppelhaushalt zu ganz konkreten Zahlen. Worauf hat die CDU-Fraktion Wert gelegt?

„Politisch ist es unsere Aufgabe, die Folgen der Corona-Pandemie abzufedern und Perspektiven zu schaffen. Diesem Ziel haben wir uns mit dem Doppelhaushalt 2021/22 gestellt – und werden es in den anstehenden Verhandlungen für 2023/24 auch tun. Wir brauchen einen Haushalt, der eine Balance zwischen den notwendigen Investitionen in die Zukunft und finanzpolitischer Stabilität schafft. Das ist unsere Verantwortung, auch gegenüber den kommenden Generationen.“

Nicht immer läuft es in der Politik geräuschlos. Es gibt mal Streit mit Koalitionspartnern, in der Fraktion oder sogar mit dem Ministerpräsidenten.

„Mit Michael Kretschmer verbindet mich eine jahrelange Freundschaft. Das heißt aber nicht, dass wir immer einer Meinung sind. Streit ist doch nicht per se schlecht, solange er sachlich bleibt. Hier haben wir Deutschen noch immer ein etwas verkrampftes Verständnis. Ohne Streit gibt‘s keinen Fortschritt. Er ist das Lebenselixier jeder politischen Auseinandersetzung im Ringen um die beste Lösung.“

Welches Thema wird in den Augen der CDU-Fraktion den Rest der Legislatur bestimmen?

„Die zurückliegenden beiden Jahre haben den Fokus ganz klar auf ein Thema gelenkt: Sicherheit – in allen seinen Facetten. Egal, ob es nun um die gesicherte medizinische Versorgung, sichere Einkommen oder den Schutz vor Gewalt, Terror und Krieg geht. Sicherheit ist wieder zu einem Wert an sich geworden. Und diese zu garantieren muss oberste politische Priorität haben.“

 

 

(Bildnachweis: Alexander Fuhrmann)